Gründungsjahre im Dunkel der Geschichte

von Prof. Dr. Heinz-Werner Dämmer


Die historische Forschung zum deutschen Schützenwesen erkannte bereits vor geraumer Zeit, dass das Schützenwesen im Rheinland älter als in Westfalen und beide zusammen die ältesten in Deutschland sind. Vereinzelte Vereinsgründungen sind vom 11.-14. Jahrhundert n. Chr. zu verzeichnen, sie mehren sich bis ins 18. Jahrhundert und haben mit etwa je 4000 Gründungen allein im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Unbestritten besitzen zahlreiche Vereine seit dem Mittelalter nicht nur Satzungen oder Statuten, sondern bereits demokratische Strukturen, aufgrund derer die Vorsteher in der Regel von den Mitgliedern jährlich gewählt wurden. Das Schützenvereinswesen insgesamt unterscheidet sich von anderen seit dem 18. Jahrhundert entstandenen Vereinsformen wie z.B. Turn-, Gesangs- oder Lesevereinen durch sein Alter, die Erlaubnis zum Waffentragen, seine frühe Verbreitung auch im ländlichen Bereich  und traditionell demokratische Strukturen.

Die Anlässe für die Gründung von Schützenvereinen sind zahlreich und liegen bei den meisten älteren Vereinen im Dunkel der Geschichte. Hinzu kommt, dass Königsschießen und Schützenfeste keineswegs nur von Schützenvereinen durchgeführt wurden, sondern anlässlich einer Kirmes auch von kirchlichen Bruderschaften unterschiedlichster Art. Noch im Jahre 1928 führte z. B. der Männergesangsverein Trier und die freiwilligen Feuerwehren von Dockweiler, Dudeldorf, Speicher und Densborn ein Schützenfest mit Scheiben- und Preisschießen durch. Auch der Anlass für die Gründung der Schützengesellschaft Jünkerath im Jahre 1889 ist den Annalen des Vereins nicht mehr zu entnehmen.


Blütezeit in der wilhelminischen Ära bis 1914

Nach Aussage der Quellen müssen die Jünkerather Schützenbrüder bereits am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein strukturiertes Vereinsleben geführt haben, denn bereits 1906 ist der erste uns noch bekannte und offensichtlich gewählte Präsident der Schützengesellschaft überliefert. Fritz Kirsch, der Großvater unseres heutigen Ehrenpräsidenten, Kurt Kirsch, lässt das erste ordnungsgemäß geführte Sitzungsprotokoll am 4. Dezember 1906 anfertigen. Mit etwa 30 Mitgliedern wurde beschlossen zum Geburtstag Kaiser Wilhelm II., am 27. Januar 1907, einen Festkommers mit Damen abzuhalten und schon damals gab es am Schützenfest-Sonntag einen Festzug, der auf Beschluss der Versammlung bis in die Krimm verlaufen sollte.


Festumzug Schützenfest 1904 in Jünkerath
 

1907 befanden sich Schützenplatz und Schießanlage auf dem Grundstück der Familie Mathias Stump (heute Schmengler-Bohlen). Der Jahresbeitrag wurde von 4 auf 6 Reichsmark angehoben und schon damals klagte der Kassierer über rückständige Mitgliedsbeiträge. Seit dem Jahre 1909 besucht die Jünkerather Schützengesellschaft auswärtige Vereine, was mit 15 Reichsmark aus der Vereinskasse und Fahrgeld und Verzehr der „Büchsenträger“ unterstützt wurde. Königsmedaillen wurden von nun an nicht mehr in Gold, sondern nur noch vergoldet angeschafft und die Musik bei Beerdigungen wurde zugunsten einer Spende an die Hinterbliebenen abgeschafft. Bei seinem 25-jährigen Bestehen muss die Schützengesellschaft ein blühender Verein gewesen sein, war sie doch in der Lage 1.500 Reichsmark für die Gestaltung des Jubiläums aufzuwenden und dies in einer Zeit, in der der Tageslohn eines Bergarbeiters 3 Mark betragen hat und ein viergängiges Sonntagsmenu in Berlin 2 Mark kosteten. Das Wohlergehen der Jünkerather Schützengesellschaft in der Kaiserzeit kommt auch auf dem Plakat zum Schützenfest am Sonntag, 3. Juli 1910 zum Ausdruck (Chronik von Jünkerath und Glaadt, 1989, S. 400). Hier ist zu lesen: „Es werden für ca. 1000 Mark Wert- und Geldpreise ausgeschossen“, eine Summe, die dem Jahreslohn eines Arbeiters entsprach.


Schützenfest 1924? Die “Blumen” an den Rädern sind Scheiben.


Schwierige Jahre ab 1914

Die blühende Vereinsarbeit in der wilhelminischen Ära wurde durch den ersten Weltkrieg jäh unterbrochen. Von 1914 bis 1920 ruhten alle Aktivitäten der Schützen, bis Hubert Grady am 10. Januar 1920 zum Vorsitzenden gewählt wurde. Zunächst konnten jedoch nur die Festaktivitäten wieder aufgenommen werden, was darin gipfelte, dass noch im selben Jahr ein Königsschießen stattfand, obwohl das Vogelschießen erst zwei Jahre später, am 20. Mai 1922, wieder genehmigt wurde. Scheibenschießen blieb verboten und während des Ruhrkampfes ruhten wiederum die Aktivitäten der Schützengesellschaft. In den Jahren eingeschränkter oder ruhender Vereinsarbeit suchten sich die Schützen neue Aktivitätsfelder. Am 25. Januar 1921 gründeten 22 Schützen einen Männerchor unter der Leitung des Schützenbruders Carl Graef, Ingenieur auf der damaligen „Jünkerather Gewerkschaft“. Dabei handelt es sich um denselben Carl Graef, der 1936 den Werkschor der Mannesmann-Demag gründete. Neuen Aufschwung fand die Schützengesellschaft im Jahre 1925, am 17. Oktober wurden in der Generalversammlung 21 neue Mitglieder aufgenommen und das Schützenfest hatte 1066, 25 Mark Überschuss ergeben. Ein Überschuss in dieser Höhe war in den frühen Jahrzehnten der Schützengesellschaft genauso selten wie in der heutigen Zeit.

Schützenvereine zwischen Führer und Vaterland

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 verschlechterte sich die Lage der rheinischen Schützenvereine als selbständige, auf ihre demokratische Tradition bedachte und meist christlichen Werten verpflichtete Vereinigungen. Es kam zu zwangsweisen Vereinszusammenschlüssen, Auflösungen und Selbstauflösungen, weil den Vereinen etwa durch Verbot des Schützenfestes die wirtschaftliche Grundlage entzogen wurde. Um den drohenden Auflösungen zu entgehen „flüchteten“ viele Schützenvereine unter das Dach „unverdächtiger“ Vereinigungen. In diesem Zusammenhang könnte der Zusammenschluss der Schützengesellschaft Jünkerath mit dem Kirmesverein im Jahre 1934 zu sehen sein. Bereits ein Jahr später wurde die Schützengesellschaft jedoch Mitglied des traditionsreichen, 1861 in Gotha gegründeten, Deutschen Schützenbundes.


Schützenfest 1930 Schützenkönig Jakob Ley nach Übergabe der Königskette. Gründungsjahr der politischen Gemeinde Jünkerath.
 

Die neuen Machthaber forderten noch 1934 eines neues Führungsprinzip im Vereinswesen, das die demokratische Legitimierung des Vorstandes, durch die Wahl eines „Vereinsführers“ ersetzte, der seine Mitarbeiter selber bestimmte. Die hiervon ebenfalls betroffenen Jünkera-ther Schützen reagierten mit der Wahl ihres bereits seit 1913 amtierenden Präsidenten, Hubert Grady, zum Vereinsführer. Hierdurch war eine kontinuierliche Vereinsarbeit sichergestellt und die Jünkerather Schützengesellschaft behielt neben dem Eifelverein ihre führenden gesellschaftliche Rolle im Vereinsleben an der Oberen Kyll bis 1939. In diesem Jahr ihres 50-jährigen Jubiläums, so berichtet die „Trierische Landeszeitung“ noch 1953 in einem großen Artikel, feierte man ein Schützenfest bei dem „Tausende von Gästen an diesem Festtag teilnahmen“. Toni Reuter wurde Schützenkönig und da mit Beginn des 2. Weltkrieges alle Vereinsaktivitäten eingestellt wurden, blieb er es bis 1952. Die wertvolle Königskette von 1889, von der die Königsmedaillen jüdischer Schützenkönige unter ungeklärten Umständen entfernt wurden, sie sind leider bis heute verschollen, überstand die Kriegswirren, so die „Trierische Landeszeitung“, da man sie an einem geheimen Ort vergraben hatte.


Neuanfang, Wirtschaftswunder und Wiederaufstieg

Wie stark der Zusammenhalt und wie lebendig die Tradition der Jünkerather Schützen war, zeigt sich an der rasch auf 150 steigenden Mitgliederzahl nach Wiederaufnahme der Vereinsarbeit im Jahre 1951. Die „Trierische Landeszeitung“ berichtete: Durch seine Industrie weist Jünkerath „eine andere Lebensart auf, als rein ländliche Gemeinden des Eifelraumes. Der Jünkerather ist lebenslustig und aufgeschlossen und man verspürt, dass mit dem Dialekt, der dem Kölnischen verwandt ist, auch ein Teil rheinischen Frohsinns in Jünkerath seinen Sitz hat.“ Die Jünkerather Schützen investierten! Neue Gewehre wurden gekauft, die Schießstände erneuert, die Beziehungen zu den Nachbarvereinen ausgedehnt. Ein „Jungschützenkönig“ wurde 1963 eingeführt und als erster trug Jürgen Eul diesen Titel.

1977 übernahm Kurt Kirsch das Amt des Präsidenten von Toni Reuter. Zielstrebig, tatkräftig und mit langfristigem Konzept ging er die Lösung eines für den Fortbestand der Schützengesellschaft entscheidenden Problems an. Im dichter werdenden Wohngebiet hinter dem Gasthaus Schmengler wurde es immer schwieriger eine Schießerlaubnis zu erhalten. So wurde 1980 der Bau eines eigenen Schützenhauses beschlossen, für das Ehrenpräsident Toni Reuter und Ehrenmajor Franz Freischmidt am 20. November 1983 den Grundstein legten. Nach erheblichen Eigenleistungen der Schützen konnten Haus und neue Schießanlage am 14. Mai 1988 eingeweiht werden. Damit stand es für die Feierlichkeiten zum großen 100jährigem Jubiläum vom 1.-3. Juli 1989 zur Verfügung, das mit Krammarkt, Tanz im Festzelt, Feuerwerk und zahlreichen Gastvereinen in festlichem Rahmen gefeiert wurde.


Wertewandel, auf dem Weg in eine multikulturelle Gesellschaft

Bereits 1981 hatte eine außerordentliche Generalversammlung der Schützengesellschaft nach „hitzigen Debatten“, wie das Protokoll vermerkt, mit 26 Ja gegen 20 Nein-Stimmen eine Satzungsänderung beschlossen, nach der Frauen Mitglieder werden und damit am Königsschießen teilnehmen konnten. Hiermit war an sich ein wesentlicher Grundstein für eine moderne Vereinsarbeit und die Erweiterung des Schießsports gelegt worden. Doch Mitgliederschwund und allgemein schwindendes Interesse an Vereinsarbeit machten auch den Jünkerather Schützen zu schaffen. Zudem galt die Schützengesellschaft in der Bevölkerung als vornehmer und elitärer Verein, der keineswegs Wert darauf legte, eine für alle Jünkerather und Glaadter offene Vereinsarbeit zu betreiben. Hinzu kam ein sich spätestens seit den 70er Jahren vollziehender Wertewandel in unserer Gesellschaft, in dem die althergebrachten Normen der Schützen, die Förderung der „traditionellen Belange, des Brauchtums und der Sitten“ ihren Stellenwert verloren hatten, wodurch sie nur noch schwer zu vermitteln waren. Für welche Werte und Ziele, über das Feiern eines Schützenfestes hinaus, sollten die Schützen noch einstehen? Für wessen Tradition und wessen Sitten stehen sie in einer hochmobilen, immer weniger an den Ort gebundenen Bevölkerung, mit einem immer höheren Anteil von Mitbürgern, die aus anderen Kulturräumen mit andersartigen Traditionen und Glaubensüberzeugungen zu uns kamen? Gleichzeitig wurden durch verschärfte Bestimmungen im Waffengesetz die Möglichkeiten der Jugendarbeit im Schießsport immer weiter eingeschränkt.

Mit Tradition und Werten für eine moderne Gesellschaft

Angesichts dieser Herausforderung schuf das Vorstandsteam der Schützengesell- schaft unter ihrem seit 1999 amtierenden Präsidenten Johannes Pitzen, unterstützt durch ihren Ehrenpräsidenten Kurt Kirsch und zahlreiche aktive Mitglieder, neue Perspektiven für eine zukunftsorientierte Vereinsarbeit. Schießsport und Traditionspflege sind zwei unverzichtbare und untrennbare Bereiche, die gemeinsam die Basis der Schützengesellschaft bilden. Der Schießsport wurde in den vergangenen Jahren mit neu durchgeführten Vereinsmeisterschaften und der Teilnahme an Kreis- und Landesmeisterschaften gefördert. Die durch die verschärfte Gesetzeslage stark eingeschränkte Jugendarbeit erhielt völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten durch die Anschaffung zweier Lasergewehre und den Bau eines transportablen Schießstandes, der zu verschiedenen Anlässen außerhalb der Schießanlage eingesetzt werden kann. Als mögliche Wegweisung in die Zukunft müssen auch erste Überlegungen zur Gründung einer Abteilung für Bogen- und Armbrustschützen angesehen werden.

Die erste Schützenkönigin seit Bestehen der Schützengesellschaft 1889 wird im Jahre 2003 Gaby Bauschen, hier mit Ehe- mann Winfried. Im traditionellen Bereich der Festtradition zeigen sich neue Gestal- tungsansätze. Seit nun drei Jahren ist das Großfeuerwerk am Schützenfest-Samstag jährliche Tradition und der 2004 als Wanderpokal gestiftete „Große Firmen- und Vereinspokal“ führte zu einem span- nenden Wettkampf von Firmen, Vereinen und Einrichtungen aller Art am Schützenfest-Montag. Der 1. Jünkerather Kreativmarkt unter dem Motto „Mut zur Kreativität“ wird in diesem Jahr neue Akzente setzen, auch er soll bei Erfolg zum festen Bestandteil des Schützenfestes werden. Ein wesentlicher Wandel, der im Rahmen der Vereinsge- schichte als historisch zu bezeichnen ist, vollzog sich 2003. Gaby Bauschen fasste als erste der seit 1981 zugelassenen Frauen den Mut, den Männern die Königs- würde streitig zu machen. Am 7. Juli 2003 wurde sie erste Schützenkönigin seit 1889 und beendete damit 114 Jahre männlich Repräsentation der Schützengesellschaft.

Ihr folgte mit Dorothea Schäfer gleich eine zweite Königin und heute kommen die Schützen nicht umhin festzustellen, dass beide durch ihr Engagement und die charmante Art ihrer Repräsentation der Schützengesellschaft neuen Glanz gegeben haben. Auch in der generellen Zielsetzung der Jünkerather Schützen, bei der Frage nach den Werten, für die die Jünkerather Schützengesellschaft steht, gibt es neue, verbindliche und in einer modernen Gesellschaft vermittelbare Antworten. Am 28. November 2004 gaben sich die Jünkerather Schützen einstimmig eine neue Satzung, in der das Alter beim Königsschießen auf 21 Jahre gesenkt und der Vorstand zur Straffung der Arbeit verkleinert wurde. Neben der Förderung des Schießsports ist es Ziel der Jünkerather Schützen die Schieß- und Festtradition in Jünkerath, das rheinische Schützenbrauchtum und die Kameradschaft zu pflegen. In besonderer Weise bekennt sich die Schützengesellschaft zu den Werten der freiheitlich - demokratischen Grund- ordnung der Bundesrepublik Deutschland und richtet daran ihre Jugendarbeit aus. Menschenwürde, Freiheit und demokratische Rechtsstaatlichkeit, gelten den Jünkerather Schützen als schützenswerte Güter, denen sie sich verpflichtet fühlen. Damit setzen sie eine wesentliche Tradition des frühen Schützenwesens fort, mit der Jünkeraths ältester Verein bestens für eine erfolgreiche Zukunft gerüstet scheint.

Quellen:

Zu Daten und Jahreszahlen siehe auch die Zusammenstellung von D. Klaus in der „Chronik von Jünkerath und Glaadt“ (1989). Zur Geschichte des Schützenwesens: Walter M. Plett, Die Schützenvereine im Rheinland und in Westfalen 1789-1939 (1992).

 

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